Gewalt gegen Frauen ist kein Randthema. Gewalt gegen Frauen findet mitten in unserer Gesellschaft statt. Oft hinter verschlossenen Türen. Oft durch den eigenen Partner. Was unvorstellbar scheint, ist für viele Betroffene jeden Tag schmerzhafte Realität.
Das Thema ist aktueller denn je. Das Bundeskriminalamt hat im gerade veröffentlichten Lagebild festgehalten, dass 2024 187.128 weibliche Opfer von häuslicher Gewalt erfasst wurden. 132 Frauen wurden im Jahr 2024 durch ihren (Ex-)Partner getötet. Fast jeden Tag gab es einen Tötungsversuch: 308 Frauen wurden Opfer von (versuchtem) Mord oder Totschlag. Weniger als alle 4 Minuten erlebte eine Frau partnerschaftliche Gewalt. Mehr als 75 Prozent der Täter waren Männer.
Und die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen. Der Weiße Ring, eine Hilfsorganisation für Opfer von Verbrechen, schätzt, dass sie bis zu viermal so hoch sein könnte. Denn viele Frauen schämen sich dafür, dass sie Opfer gewalttätiger Männer sind – und verstecken dies so gut wie irgend möglich.
Dabei nehmen die (offiziellen) Zahlen häuslicher Gewalt zu. Die Anzahl der Opfer insgesamt ist im Fünfjahresvergleich um 17,8 % gestiegen (Lagebild BKA).
Wir können diese Zahlen nicht einfach so hinnehmen. Jeder einzelne dieser Fälle ist eine Tragödie. Als frauenpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft stehe ich ganz besonders in der Pflicht. Denn die rot-grüne Regierung tut zwar einiges – aber nicht genug.
Wir müssen so genau wie möglich wissen, wie sich häusliche Gewalt in Hamburg darstellt. Denn es gibt Zahlen, Fakten und Erkenntnisse hierzu – etwa aus der Kriminalstatistik der Polizei oder von den einschlägigen Beratungsstellen. Doch eines gibt es nicht: ein aktuelles Lagebild, das alle Daten zusammenführt und auswertet. Und, wenn notwendig, weitere relevante Fragen stellt und beantwortet, etwa mittels wissenschaftlicher Studien.
Ich habe darum einen Antrag in die Bürgerschaft eingebracht. Meine Forderung:
Wir brauchen ein vollständiges Lagebild zur Gewalt gegen Frauen in Hamburg. Dieses Lagebild muss alle statistischen Daten systematisch zusammenführen und auswerten.
Denn die Zahlen liegen vor – sie kommen von der Polizei, von Beratungsstellen und aus der Forschung (sogenannte Dunkelfeldstudien). Sie werden jedoch bislang nicht in einem Bericht nur für Hamburg zusammengefasst.
Das ist ein schweres Versäumnis. Denn nur wer umfassend informiert ist, wie und in welchem Umfang Gewalt gegen Frauen in Hamburg tatsächlich stattfindet, kann sie effektiv bekämpfen.
Wir wissen auch, dass die Dunkelziffer höchstwahrscheinlich sehr hoch ist. Darum müssen die Erkenntnisse der Beratungsstellen und diesbezüglichen Dunkelfeldstudien eingebunden werden.
Damit wir stets auf dem neuesten Stand sind, sollte dieses Lagebild jedes Jahr veröffentlicht werden.
Wir müssen das tatsächliche Ausmaß der Gewalt gegen Frauen in Hamburg sichtbar machen. Um nicht mehr und nicht weniger geht es.
Diese Forderung muss schnellstmöglich erfüllt werden. Rot-Grün muss die Anstrengungen zum Schutz von Frauen vor Gewalt deutlich steigern, wenn diese wirksam sein sollen. Gewalt gegen Frauen ist in vielen Fällen vermeidbar – wenn dies politisch gewollt ist. Für mich hat dieser politische Wille oberste Priorität.
Eines ist klar: Gewalt gegen Frauen hat keine Nationalität, keine Religion, keine soziale Schicht – aber sie hat Strukturen. Sie hat Ursachen, die klar benannt werden müssen: patriarchale Rollenbilder, Machtmissbrauch, wirtschaftliche Abhängigkeiten, fehlende Prävention, zu spätes Eingreifen des Staates.
Gewalt gegen Frauen ist kein Frauenthema. Gewalt gegen Frauen ist ein Männerthema. Die allermeisten Männer sind nicht gewalttätig – aber die allermeiste Gewalt gegen Frauen wird von Männern ausgeübt.
Darum brauchen wir Männer, die hinsehen. Das ist mein eindringlicher Appell. Frauen brauchen Männer, die widersprechen. Männer, die aufmerksam sind, die eingreifen – im Freundeskreis, im Job, im Verein. Und sie brauchen Männer, die eine Kultur schaffen, in der Kontrolle und Gewalt keinen Platz haben.
Für die von Gewalt betroffenen Frauen gilt: Sie haben ein Recht auf Schutz, ein Recht auf Freiheit und ein Recht darauf, ernst genommen zu werden. Und: wir müssen alles tun, um Gewalt gegen Frauen bestmöglich zu verhindern und Betroffenen rechtzeitig zu helfen.
Wir dürfen bei diesem so wichtigen Thema nicht länger nur reagieren, sondern wir müssen in die Offensive gehen. Nicht länger Zustände beschreiben, sondern endlich handeln. Dafür müssen wir wissen, wie groß das Ausmaß der Gewalt gegen Frauen in Hamburg ist. Und, in welchen Formen sich diese Gewalt darstellt. Denn nur das, wovon wir wissen, können wir sinnvoll bekämpfen.
Rot-Grün fehlt dieser politische Wille ganz offensichtlich: mein Antrag wurde von den Regierungsfraktionen abgelehnt.